»Veranda – abschweifen« lese ich nur, wie durch die halbseidenen Vorhänge des Salons, oder den Schleier von Tränen. Was macht man, wenn der Sommer mit einem letzten Zucken aus dem Jahr scheidet, wenn der Regen kommt und das Blättertreiben und wenn die Sonntagnachmittage auf dem jüdischen Friedhof selbst auf der Bank in der Sonne langsam kühl werden? Richtig, man fährt los nach Mitte, um sich Lektüre zu besorgen. Völlig wahllos rupfe ich Bücher aus den Regalen, H.P. Lovecraft fällt über dem Kassentresen wie in Zeitlupe auf die Balladen des Francois Villon

(“Wie kann man jemand, der mehr gab als nahm

So von sich weisen, ohne Scham?”)

auf Guillermo Martinez, auf Robert Koch, auf den Faust-Cartoon von Flix. Worte, egal, hauptsache Worte jetzt für diese Zeit des Jahres. Später kauere ich zerknittert vom Wasser und dem ganzen Lesen in der Badewanne. Worte, nichts als Worte:

“Du hast ein Herz aus Stein in deiner Brust

und das drückt bergschwer auf meinen Magen.”

Sie rinnen zwischen den Regenfäden hindurch wie die unauslöschlichen Erinnerungen dieses allzu schnellen Jahres. Im Herbst haben sie ihr Memorandum-Jubiläum. Ich schaue ihnen zu, durch die halbseidenen Vorhänge, oder Tränenschleier: »Veranda – abschweifen«.

Manche fahre nach Mitte, um Bücher zu kaufen. Andere ziehen nach Hamburg, um Bücher zu schreiben. Yulian Ide etwa. Von seiner Vierzimmer-Maisonettewohnung aus lässt er öfters mal etwas verlauten. Hoffe ich.


Philipp Haager via butdoesitfloat