Wir ratterten durch die weitläufigen Plattenbau-Viertel von Novi-Beograd. Vegessen waren die Kirchen, die Festungsmauern, die alten wunderschönen Fassaden des Stadtkerns, wo wir uns an den anderen Tagen aufhielten. Hier waren die Strassen so breit und geradeaus lang, dass an Staus nicht zu denken war, die sich kreuzenden Flussläufe nicht mehr als eine vage Erinnerung. Hierher waren die Seelen der modernen Serben geflohen nach ihrer Entführung aus dem Serail, der habsburgisch-ottomanischen Enge der Altstadt, eingepfercht zwischen Donau und Sava. Auf dem Weg nach Zagreb, Novi Sad und Subotica hatten sie ein Babylon errichtet, das in stalinistischer Grosszügigkeit daherkam, in dem urplötzlich ein Chinatown mit dreigeschossigen Marktgebäuden zwischen den wohlgeplanten Wohntürmen auftaucht wie ein Irrgarten aus Hecken im Garten eines Barockschlosses. Wir waren mit einem kleinen Boot von der Flussinsel aus übergesetzt und noch ganz eingenommen von den vielen kleinen Hausbooten, die am Ufer vertäut lagen, wo Familien ihren Urlaub verbrachten in einer mekongartigen Wildnis fern von Babylon.