Hamlets Wutausbruch Ophelia gegenüber:

“Ich weiss genug über eure Maskenmalerei. Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr schminkt euch ein andres drauf. Ihr trippelt und tänzelt, und ihr lispelt so lockend und lüstern, verhext Gottes Kreaturen mit Schmusenamen und nennt eure Luderhaftigkeit blauäugig Unschuld. Hört mir auf, ich will nichts mehr davon wissen, es hat mich irr gemacht.  Ich sage, keine weiteren Heiraten mehr! Die, die schon verheiratet sind – alle bis auf einen – solln so fortleben; die andern solln bleiben, wie sie sind. In ein Kloster, los!”

(Hamlet, III, 1; deutsch von Frank Günther) 1602

Wie immer muss man bei Nietzsche vorsichtig sein. Seine boshaften Äusserungen sind oft genug ironische Seitenhiebe gegen jene unvorsichtigen Leser, die seinen Aussagen bedenkenlos zustimmen.

“Das Weib will selbständig werden: und dazu fängt es an, die Männer über das “Weib an sich” aufzuklären – das gehört zu den schlimmsten Fortschritten der allgemeinen Verhässlichung Europa’s. Denn was müssen diese plumpen Versuche der weiblichen Wissenschaftlichkeit und Selbst-Entblössung Alles an’s Licht bringen! Das Weib hat so viel Grund zur Scham; im Weibe ist so viel Pedantisches, Oberflächliches, Schulmeisterliches, Kleinlich-Anmaassliches, Kleinlich-Zügelloses und -Unbescheidenes versteckt – man studire nur seinen Verkehr mit Kindern! -, das im Grunde bisher durch die Furcht vor dem Manne am besten zurückgedrängt und gebändigt wurde. Wehe, wenn erst das “Ewig-Langweilige am Weibe” – es ist reich daran! – sich hervorwagen darf! wenn es seine Klugheit und Kunst, die der Anmuth, des Spielens, Sorgen-Wegscheuchens, Erleichterns und Leicht-Nehmens, wenn es seine feine Anstelligkeit zu angenehmen Begierden gründlich und grundsätzlich zu verlernen beginnt! Es werden schon jetzt weibliche Stimmen laut, welche, beim heiligen Aristophanes! Schrecken machen, es wird mit medizinischer Deutlichkeit gedroht, was zuerst und zuletzt das Weib vom Manne will. Ist es nicht vom schlechtesten Geschmacke, wenn das Weib sich dergestalt anschickt, wissenschaftlich zu werden? Bisher war glücklicher Weise das Aufklären Männer-Sache, Männer-Gabe – man blieb damit “unter sich”; und man darf sich zuletzt, bei Allem, was Weiber über “das Weib” schreiben, ein gutes Misstrauen vorbehalten, ob das Weib über sich selbst eigentlich Aufklärung will – und wollen kann Wenn ein Weib damit nicht einen neuen Putz für sich sucht – ich denke doch, das Sich-Putzen gehört zum Ewig-Weiblichen? – nun, so will es vor sich Furcht erregen: – es will damit vielleicht Herrschaft. Aber es will nicht Wahrheit: was liegt dem Weibe an Wahrheit! Nichts ist von Anbeginn an dem Weibe fremder, widriger, feindlicher als Wahrheit, – seine grosse Kunst ist die Lüge, seine höchste Angelegenheit ist der Schein und die Schönheit. Gestehen wir es, wir Männer: wir ehren und lieben gerade diese Kunst und diesen Instinkt am Weibe: wir, die wir es schwer haben und uns gerne zu unsrer Erleichterung zu Wesen gesellen, unter deren Händen, Blicken und zarten Thorheiten uns unser Ernst, unsre Schwere und Tiefe beinahe wie eine Thorheit erscheint. Zuletzt stelle ich die Frage: hat jemals ein Weib selber schon einem Weibskopfe Tiefe, einem Weibsherzen Gerechtigkeit zugestanden? Und ist es nicht wahr, dass, im Grossen gerechnet, “das Weib” bisher vom Weibe selbst am meisten missachtet wurde – und ganz und gar nicht von uns? – Wir Männer wünschen, dass das Weib nicht fortfahre, sich durch Aufklärung zu compromittiren: wie es Manns-Fürsorge und Schonung des Weibes war, als die Kirche dekretirte: mulier taceat in ecclesia! Es geschah zum Nutzen des Weibes, als Napoleon der allzuberedten Madame de Staël zu verstehen gab: mulier taceat in politicis! – und ich denke, dass es ein rechter Weiberfreund ist, der den Frauen heute zuruft: mulier taceat de muliere!”

(Jenseits von Gut und Böse, Nr. 232) 1886