Ihr blondes Haar ist alt, sehr alt. Und ihr Gewand sieht aus, als ob es von einem ägyptischen Begräbnis stammt, eine goldgelb gemusterte, nachtschwarze Königsrobe. Und sie dreht sich. Die auf dem Bett liegende, beide Arme von sich streckende, mutmassliche Vampirin, dreht sich vor unseren Augen wie die LP auf dem Plattenteller, deren Musik wir verordnet bekommen wie eine Medizin, um die kommenden Bilder zu verstehen. Eve liegt inmitten ihrer Welt, ihrer Bücher, stapelhoch, ihrem Himmelbett, und ihrer Gewänder, die sie um sich hüllt wie eine Araberin, um nicht erkannt zu werden. Schnitt zu ihrem Mann Adam, ebenfalls mutmasslich Vampir, denn der Film verbringt viel Zeit damit, die beiden Charaktere in ihren Welten zu zeichnen, bevor sie zum eigentlichen Akt des Bluttrinkens kommen – sinnlich, routiniert, und jeder für sich allein: Eve, Adam sowie der uralte Kit, den Eve anfangs besucht.

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Schnell wird klar, dass die drei zwar ihre vampirische Natur miteinander teilen, ansonsten aber relativ isoliert voneinander in ihren eigenen Welten leben. Wie sollte es denn anders sein – sie haben unzählige Dekaden damit verbracht, ihr künstlerisches Hobby in alle nur denkbare Richtungen zu verfolgen; das muss zwangsläufig zu einer gewissen Vereinsamung führen. Adam, der Musik macht, und Kit, der schreibt – offen bleibt, was genau die Profession von Eve ist; möglicherweise ist sie einfach eine Träumerin, eine Muse der Künstler.

Von den dreien ist Adam der einzige, der offensichtlich Kontakt zu Nicht-Vampiren hat. Ein Freund von ihm, der sich in seiner Gegenwart merklich unwohl fühlt,  beschafft ihm Musikinstrumente mit Sammlerwert und vertreibt seine Musik über inoffizielle Kanäle. Ein vermeintlicher Arzt in einer Klinik versorgt ihn mit Blutkonserven in hochtechnisch anmutenden Stahlzylindern. Womöglich sind es diese Berührungen mit den Nicht-Vampiren, die Adam melancholisch machen und sein Interesse am Weiterleben mindern. Belanglose Dinge des Alltags wie die städtische Stromversorgung, nicht aber sein Jaguar XJS oder seine Musikinstrumente, lassen ihn am Sinn der Zivilisation und der Daseinsberechtigung der Menschheit zweifeln. Adam ist ein Künstler, der aktiv am Bild des verkannten Genies arbeitet: Seine Musik soll nie an die Öffentlichkeit kommen, und wenn, dann sollte sie nicht mit seiner Person in Verbindung gebracht werden. Diese Janusköpfigkeit hinterlässt Spuren – Adam ist wie ein körperloser Verstärker, dessen Signale nicht wahrgenommen werden können, und wenn doch, dann ist ihre Quelle nicht zu verorten. Eine geradezu idealtypische Beschreibung eines Vampirs: in den Schatten, heimlich, lautlos. Aber eine suizidale Einstellung für jeden Künstler.

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Und hier fängt der Film an, autobiographische Züge anzunehmen. Die kreisenden Kamerafahrten auf den die Gitarre umarmenden Adam; Zeitlupenaufnahmen von ihm, wie er verschiedene Instrumente einspielt zu einer traurig-melodischen Symphonie des Vampirdaseins; dies alles trägt Züge des orchestrierenden Regisseurs, der nicht zufällig die Musik zu dem Film beisteuert und selbst aussieht wie eine gealterte Version des langhaarigen Adams. Jim Jarmusch portraitiert sich, wenn man dieser Denkrichtung folgt, als Überlebender einer Indie-Filmschule im Insolvenz-leeren Detroit, wo Parkgaragen der toten Autofabriken in Vorführsälen der noch toteren Kulturindustrie verweilen. Durch die sinnleeren Strukturen einer alten Welt bewegen sich die Überlebenden einer alten Spezies und versuchen, die Deutungshoheit über Klassiker wie Shakespeare, Rumi und Schubert zu behalten.

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Vor allem anderen, dem großartigen Schauspiel der wenigen Darsteller, der fabelhaften Musik, den unabgenutzten Drehorten sticht vorallem die grandiose Kameraarbeit hervor. Die Nachtaufnahmen nehmen den Zuschauer gefangen, machen ihn zu einem Komplizen. Die einsamen Autofahrten von Adam durch die leeren Straßen, die einsamen Spaziergänge von Eve, vorbei an belanglosen Dealern und Cafés. Das ist eine Einsamkeit, die wir hinter uns gelassen haben. In diesem Film können wir sie für wenige Augenblicke wiederfinden.