Demokratie ist Rückenschmerzen. Im Wahllokal 211, das ich bei der diesjährigen Abgeordnetenhaus- und Bezirksversammlungswahl leitete, zählten wir ab 18 Uhr die Zettel auf Tischen in Kinderhöhe, denn wir befanden uns in einer Grundschule. Zuvor, in den 10 Stunden, während derer die ansässigen Bürger in kleineren und grösseren Gruppen durch den Regen in unsere Wahlkabinen geströmt waren, war die Politik, die in Berlin oft absent erscheint, wieder einmal zum Vorschein gekommen. Das Wahlvolk in Pankows Norden, an der Peripherie der Stadt gut untereinander bekannt und nachbarschaftlich verbunden, wählte durchschnittlich; die Prozentzahlen entsprachen beinahe den späteren Hochrechnungen, es gab viel CDU, erstaunlich wenig Linke, einige Piraten und einen trotz allem stattlichen SPD-Stammwähleranteil. Aus den Schnellmeldungen, die ich telefonisch an die Koordinationsstelle durchgeben musste, konnte ich darauf aber nicht schliessen. Nach dem stundenlangen Zählen über Kindertischen, nach Korrekturen und erneutem Zählen konnte ich knapp noch die Zahlen erkennen, die ich mitteilen sollte. Um halb elf war es zuende. Der Regen hatte wieder aufgehört, das Moped stand still und einsam unter einem vorstehenden Dach an der menschenleeren Straße, die ebenfalls Kastanienallee hiess. Wir gingen zum Griechen, denn dessen Spelunke war das einzige Restaurant, das noch geöffnet hatte. Dann zum Italiener, als der Grieche gegen halb zwölf seine Türen schloss. Als der Italiener zumachte, nahm ich ihre Hand und steuerte in die Dunkelheit, wo ich vorhin einen Park gesehen hatte. Die Wege und die Wiesen waren noch feucht vom ersten heftigen Herbstregen, einzelne Tiere wieselten erratisch umher, ein Fuchs beäugte uns. Dort, in der Schwärze der uns umgebenden Bäume, waren wir ganz allein und niemand konnte uns aus den wenigen erleuchteten Fenstern, die zu sehen waren, erkennen. Ich versuchte, meinen schmerzenden Rücken für einige Zeit zu vergessen, umfasste von hinten ihre Schultern und strich in ihr Haar.